26 Feb 2022

CD der Woche: Joyce DiDonato – Eden

Eine Frage stellt Joyce DiDonato an den Anfang ihres Albums “Eden”, eine unbeantwortete Frage: die “Unanswered Question” von Charles Ives. Sie singt dort keinen Text – eigentlich ist es ein Trompetensolo in einem Instrumentalstück.

Joyce DiDonato will mit ihrem Album Fragen begegnen, die die aktuelle Zeit aufwirft. “Irgendwie sind wir voneinander entkoppelt – von uns gegenseitig, von der Natur, aber auch von einem Teil in uns selbst, der außerhalb der oberflächlichen Alltagswelt wichtig ist”, findet sie.

Innere Ruhe und Kraft

Die Musik, die Joyce DiDonato ausgewählt hat, spannt einen Bogen vom 16. zum 21. Jahrhundert und bietet ganz unterschiedliche Anknüpfungspunkte – Möglichkeiten, in Beziehung zu treten. Wie in “Ombra mai fu” von Händel mit der Natur: Xerxes steht unter einer Platane und besingt sie inniglich. Die Natur als Spiegel der menschlichen Seele.

“Es gibt eine Stille und Ruhe, die fundamental bedeutsam sind für diese Musik”, sagt DiDonato. “Für mich weist sie den Weg in Richtung Eden, sie weist den Weg zu der Verbindung zwischen den Menschen und den Bäumen, der Natur.”

Genau diese innere Ruhe und Kraft strahlt Mezzosopranistin in diesem Stück aus, man spürt, wie sehr sie sich innerlich damit verbunden fühlt.

Musik als eine Art von Medizin

In die Natur hineinzulauschen, das ist auch Thema in Rachel Portmans “The first morning of the World” – die Natur spreche eine Sprache ohne Fragezeichen, heißt es da. Doch in ihrem Album spricht Joyce DiDonato auch von der Verbundenheit der Menschen untereinander – und der Verwurzelung im eigenen Inneren. Musik spielt für sie dabei eine Schlüsselrolle, auch wenn es um die Bewältigung von Schmerzen geht, wie in Wagners Wesendonck-Liedern. “Musik ist da für uns als eine Art von Medizin in vielen Fällen. Und das nehme ich sehr ernst”, so DiDonato. “Die Musik lädt uns ein, wirklich innezuhalten und einfach da zu sein. Präsent zu sein in der Herrlichkeit eines großartigen Musikstücks.”

Musik aus der Feder von elf verschiedenen Komponistinnen und Komponisten hat Joyce DiDonato gewählt. Und abgesehen von dem gekonnt eingeflochtenen roten Faden des In-Beziehung-Tretens ist es einfach höchst eindrucksvoll, sie mit so unterschiedlichen Facetten zu erleben. Immer versucht sie zum Kern vorzustoßen – und so bekommt das Album auch eine beseelte Dringlichkeit. Und wirkt als Aufruf an uns, wachsam zu sein für das, was in uns und um uns herum passiert.